Ladendiebstahl, Prügeleien, Sachbeschädigungen, Verkehrsdelikte, Drogen, Cybermobbing, Sexting… Die Liste an Fallbeispielen, die an diesem Abend thematisiert werden, ist lang und schaurig. Konfrontiert werden möchte man lieber mit keiner dieser Situationen. Allerdings – so betont die Jugendanwältin Petra Pojer gleich zu Beginn der Veranstaltung – ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass auch das eigene Kind einmal straffällig wird. Was dann passiert, wie ein Verfahren bei der Jugendanwaltschaft abläuft und welche Rolle die Eltern dabei spielen, bringt Petra Pojer der interessierten Zuhörerschaft aus Kindern und Erwachsenen in einem packenden Vortrag voller Beispiele näher.
Der Abend startet mit einem kurzen Input durch den Schulpolizisten Sven Fäh. Dieser erläutert dem Publikum den Ablauf der Kriminalprävention seitens der Schule. Besonderes Gewicht legt er darauf, die Eltern auf mögliche Gefahren im Internet zu sensibilisieren, z.B. für das Risiko der Kontaktaufnahme mit dubiosen Fremden beim Gamen im Internet.
Dann übernimmt Petra Pojer das Wort. Ein paar Fakten aus ihrem Vortrag zur Übersicht. Kinder unter zehn Jahren sind nicht strafbar. Delikte in diesem Alter werden der KESB übergeben. Unter 15 Jahren drohen den Jugendlichen ein Verweis (=Verwarnung) und eine persönliche Leistung von maximal zehn Tagen, so z.B. Mithilfe in einem Altersheim. Ab einem Alter von 15 Jahren kann es schnell ungemütlich werden. Zum Verweis und der persönlichen Leistung bis zu drei Monaten können Bussen bis 2000 Franken und eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr ausgesprochen werden. Ab 16 Jahren kann die Freiheitsstrafe bei schwersten Delikten bis zu vier Jahren betragen. Parallel zu den Strafen können Massnahmen wie Therapie, Coaching (z.B. bei familiären Problemen, zur Unterstützung bei der Lehrstellensuche etc.) oder die Unterbringung in einem Jugendheim angeordnet werden. Diese jugendstrafrechtlichen Schutzmassnahmen können bis zum vollendeten 25. Altersjahr eines Jugendlichen dauern. Sie sind für den Grundgedanken des schweizerischen Jugendstrafrechts, Schutz und Erziehung der Jugendlichen, absolut zentral. Das Ziel ist es, die Jugendlichen mit «massgeschneiderten» Massnahmen auf dem Weg in ein deliktfreies und selbständiges Leben zu unterstützen.
Des Weiteren geht Petra Pojer auf verschiedene Arten von Straftaten ein. Hier eine Zusammenstellung von strafbaren Handlungen:
- Wer jemanden als «Schlampe» oder Ähnliches bezeichnet, macht sich der Ehrverletzung schuldig.
- Eine Aussage wie «Ich weiss, wo din chline Brüeder in Kindsgi gaht, wenn ich dich wär, würd ich mir Sorge mache» gilt als Drohung.
- Ein Satz wie «Wenn du mir keine hundert Stutz gibst, dann werde ich dich verprügeln» erfüllt den Strafbestand der Nötigung und wird als Offizialdelikt automatisch strafrechtlich verfolgt.
- Wer jemandem eine Straftat vorwirft, die nicht passiert ist, um dieser Person z.B. eins auszuwischen, macht sich wegen falscher Anschuldigung strafbar.
- Pornografie, in der Kinder, Tiere oder Gewalt vorkommen, ist illegal. Herstellung, Konsum, Besitz (auch auf dem Handy, z.B. bei automatischem Abspeichern in der Gallerie) und Weiterverbreitung sind strafbar.
- Auch das Verschicken weicher Pornografie an unter 16-Jährige ist strafbar. Pojer rät an dieser Stelle ausdrücklich davon ab, Nacktfotos von sich selbst überhaupt erst herzustellen. «Die Fotos landen immer im Netz und die Mädchen sind immer die Leidtragenden.» Sie rät Minderjährigen, die pornografisches Material zugeschickt bekommen, dieses umgehend einer erwachsenen Person zu zeigen und gegebenenfalls die Polizei einzuschalten.
- Elektro-Fahrzeuge (Trottinett, Roller, Scooter, Bike) sind erst ab 14 Jahren zugelassen. Jüngere Fahrer und Fahrerinnen machen sich strafbar. Zwischen 14 und 16 Jahren wird ein Mofaausweis benötigt. Ausserdem ist die gesetzliche Höchstgeschwindigkeit auf 20km/h festgelegt. Wer zu jung oder zu schnell mit einem Elektro-Fahrzeug unterwegs ist, kann sich im Falle eines Unfalls zudem versicherungstechnisch vor einem Riesenproblem sehen.
Schliesslich thematisiert Pojer das Thema Schadenersatz und hält fest, dass die Eltern nicht verpflichtet sind, für Schäden aufzukommen, die das Kind verursacht hat. Dagegen kann das Kind ab 18 Jahren betrieben werden, auch für Kosten, die deutlich früher verursacht wurden. Strafregistereinträge hingegen sind bei Jugenddelikten eher die Ausnahme und nur als sogenannte «Behördeneinträge» vorgesehen, erscheinen also grundsätzlich nicht im Privatauszug (der z.B. für die Bewerbungsunterlagen oder für eine Wohnungssuche benötigt wird). Das Ausüben weiterer Straftaten nach der Volljährigkeit kann jedoch dazu führen, dass Straftaten, die zu einem Behördeneintrag geführt haben, auch im Privatauszug erscheinen. Allerdings sieht die Jugendanwaltschaft die allermeisten Klienten nur einmal. Nur wenige Jugendliche – und das ist die beruhigende Botschaft dieses äusserst anregenden Abends – werden mehrfach straffällig.
– Vanessa Mohn, Elternrat Schule Blumenfeld, Arbeitsgruppe Elternwissen